Rede zum Auschwitzgedenken

Liebe Antifaschistinnen & Antifaschisten,wir treffen uns heute hier, am Platz der jüdischen Deportierten, um uns anlässlich des Jahrestages zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern. Erinnern an den Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau und der beiden anderen Konzentrationslager Auschwitz durch die Rote Armee 1945.Als 1996 in der BRD der 27. Januar als nationaler Gedenktag geschaffen wurde, forderte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund deutscher Antifaschist:innen, die Ernsthaftigkeit dieses neuen Gedenktages unter Beweis zu stellen. So forderten sie:„Wer des 27. Januar 1945 gedenkt, muss auch den 30. Januar 1933 mitdenken, der Tag an dem Adolf Hitler Reichskanzler wurde. Ursachen und Herkunft des Faschismus sind notwendige Bestandteile jeder Erinnerungsarbeit. … Das Gedenken an die Opfer muss verbunden sein mit der Erinnerung daran, wer die Täter waren. Das heißt: Benennung der Schuldigen und der Nutznießer an der Errichtung der nazistischen Herrschaft in Deutschland und an der Entfesselung des Krieges.“Denn wenn man nicht behaupten will, dass der 30. Januar „schicksalhaft“ über dieses Land gekommen sei, wird man nicht umhinkommen, sich mit den gesellschaftlichen Kräften zu beschäftigen, die ein Interesse an der Errichtung und Etablierung der faschistischen Herrschaft hatten. War es abstrakt „das Volk“ oder waren es nicht vielmehr benennbare Personengruppen, die ihren politischen Beitrag zur Machtübertragung geleistet haben?Wer meint diese Fragen hätten heute, 89 Jahre später, keine Relevanz, der irrt. Derzeit werden in Deutschland hunderte antisemitischer Übergriffe oder Vorfälle registriert. Menschen werden beschimpft, bedrängt, körperlich angegriffen, weil sie Jüdinnen und Juden sind oder dafür gehalten werden. In der radikalen Rechten und verschwörungsideologischen Szene kursieren Mythen und Bilder, die Jüdinnen und Juden in bedrohlicher, entmenschlichter und grausamer Weise darstellen, so wie es einst die Nationalsozialisten taten. Auf Anti-Corona-Demos machen sich Impfkritiker:innen zu Opfern und setzensich gleich mit den jüdischen Opfern der Shoah, indem sie als Illustration den gelben Stern missbrauchen. Juden und Jüdinnen wurden durch die Nazis vor ihrer Ermordung brutal ausgegrenzt, indem sie gezwungen wurden, den Stern zu tragen. Dieses furchtbare Symbol für Proteste zu benutzen, ist abscheulich, weil es die einstige Mordmaschinerie Deutschlands gegen Millionen Jüdinnen und Juden ins Lächerliche zieht. Wenn also bisher Antisemitismus als eine Art Erbe aus den Zeiten des Nationalsozialismus betrachtet wurde, also als ein rein rechtsradikales Weltbild, so wird in der jetzigen Situation klar, wie wenig Realität damit beschrieben ist. Antisemitismus geht längst weit darüber hinaus. Es reicht nicht, ihm etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Die enorme öffentliche Abwehr gegen dieses Thema muss verstanden und überwunden werden. Alle Elemente des Antisemitismus, die nicht dem tradierten rechtsextremen Muster folgen, werden in der öffentlichen Auseinandersetzung immer wieder in Frage gestellt. Es scheint, als ob nur das alte Stereotyp vom „bösen Juden“ als antisemitisch gesehen werden kann, wenn es aus dem klassisch rechten Milieu kommt.Auch in vermeintlich weltoffenen Städten wie Hamburg wurden in der Vergangenheit antisemitische Straftaten begangen. So hat am 5. Oktober 2020 ein 29-Jähriger in Bundeswehruniform einen jüdischen Studenten vor einer Synagoge in Eimsbüttel mit einem Klappspaten angegriffen und ihn erheblich verletzt. Es zeigt sich also immer wieder: Antisemitismus existiert auch heute noch und stellt eine Gefahr für Menschen jüdischen Glaubens dar.Liebe Antifaschistinnen & Antifaschisten:was bedeutet all das nun für unsere antifaschistische Arbeit?Es ist unsere Aufgabe immer wieder mit diesem Thema zu beschäftigen und auch außerhalb des eigenen Dunstkreises oder der Szene verschiedene Perspektiven anzuhören und zu diskutieren. Es ist unsere Aufgabe Antisemitismus zu erkennen, Betroffenen zuzuhören und ihnen ein Raum zu geben, in dem sie ihre Erfahrungen teilen können und ihre Befürchtungen und Ängste ernst genommen werden. Als Kommunist:innen stellen wir klar, dass Antisemitismus und Rassismus Instrumente der Spaltung sind und von uns bekämpft werden. Wenn in Deutschland Jüdinnen und Juden Angst haben und Synagogen wiederholt angegriffen werden, muss dies mit allen Mitteln bekämpft werden. Und es ist unsere Aufgabe aktiv zu werden. Immer dann, wenn es nötig ist, denn wie Primo Levi einst schrieb:„Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen“